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Udo B. aus E. gegen Schwarz-Weiß-Denken

„Langsam habe ich die Schnauze voll!", schimpft der minderjährige Hauskater Udo B. aus E. in NRW, während er gleichzeitig eine eindeutige und, wie ich finde, für einen kleinen Kater mit viel zu dicken Tatzen überraschend anschauliche Würgegeste mit der rechten Pfote anzeigt.

„Ich hab so' n Hals!"

Kaum einen halben Augenblick später hat er sich bereits beruhigt und schaut von seinem Platz auf dem Sims vor dem Badezimmerfenster zu mir herüber. Der Pelzträger wirkt jetzt ganz fokussiert.

„Klar", resümiert B., „mein Fell ist schwarzweiß. Na, und? Ist das etwa verboten?"

Der Jungkater senkt die Stimme. „Das ist aber auch schon alles! "

B. hebt die rechte Pfote - seit Beendigung seiner Würgegeste ist sie wieder frei - und fährt fort.

„Ich meine, schwarz und weiß! Nicht schwarz oder weiß. Darauf lege ich Wert!"

Diesmal hebt B. seine Pfote nicht. Nicht nötig, er hat sie gar nicht erst runtergenommen.

„Diese Schubladen kannst du doch alle vergessen! Pauschalurteile passen nicht! Nie!"

B. 's Gelassenheit ist schon wieder dahin. Seine Stimme überschlägt sich. Der Kater gerät derart in Rage, dass ich es mit der Angst bekomme, er könne hyperventilieren. Natürlich mit der Folge, dass ich das dann folgende Theater auszubaden hätte. Sie wissen schon: Reanimation und so' n Kram ...

„In Wirklichkeit bin ich auch gar nicht schwarzweiß. Mein Fell ist es. Sonst nichts."

In der Zwischenzeit hat sich B. wieder gefangen. Seine rechte Pfote schwebt maßregelnd wie eh und je in der Luft. Ich atme auf.

„Meine Augen sind gelb, mein bester Kumpel rot-getigert und unser Kratzbaum hat gar keine eindeutige Farbe. Weißt du, was ich damit sagen will?"

Ich schüttele den Kopf. B. holt tief Luft. Endlich. Wurde auch langsam Zeit.

„Ich will sagen, dass reine Äußerlichkeiten wie Fell-, Augen-, Haut- und sonstige Farben genauso irrelevant sind wie alle anderen Schubladen, die nichts mit dem Verhalten irgendwelcher Lebewesen zu tun haben. Wichtig ist, ob jemand nett ist. Das ist alles. Punkt!"

B. unterbricht seinen Monolog und hält einen Moment inne.

„Okay", ergänzt er. "Vielleicht nicht alles, aber fast. Bei Menschen sollte Nettigkeit schon zielführend sein. Pünktliche Fütterung würde ich durchaus von ihnen verlangen." Der Kater erhebt seine Stimme. „Zwingend von ihnen verlangen. Genau wie frisches Wasser und regelmäßigen Zugang zum Balkon. Überhaupt erwarte ich grundsätzlich einigermaßen spurende Servicekräfte. Ich denke, das ist legitim. Reine Äußerlichkeiten sind das allerdings auch nicht."

Der Hauskater reckt seinen Oberkörper. Sein Blick ist ernst!

„Das sach ich Sie!"

Ebenso freundlich wie fluchtartig verlasse ich die Wohnung mit dem immer noch aufgebrachten Pelztier. Eigentlich habe ich schon seit zwei Stunden Feierabend. Rein inhaltlich stimme ich B. jedoch vollumfänglich zu. Kampf den Schubladen! Wo er Recht hat, hat er Recht!

P.S. : Dieses Bild zeigt unseren Redakteur Udo Boll aus Essen. Mit ihm habe ich oben beschriebenes Interview geführt. Da Udo weder erkannt, noch mit unnötigen Nachfragen belästigt werden will, haben wir seinen Namen und seinen Herkunftsort anonymisiert.

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,Normalerweise redet zumindest der gemeine Stadtbaum hauptsächlich wirres oder belangloses Zeug. Albernen Klatsch, Lästereien über andere...

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