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Doppelinterview mit Hennes und Udo Boll, Hauskater aus Essen



Der ultimative Fauna-Fragebogen von „Kniesels Welt“, dem Blog Ihres Vertrauens

Dieser Fragebogen wurde ausgefüllt von Udo Boll, kommentiert, ergänzt und nach kurzer Zeit ebenfalls ausgefüllt von Hennes Boll, gelesen und eingereicht von Carsten - nein, nicht Boll – der Mann hört auf den Namen Wunn.

Dieser Fragebogen ist an den Fragebogen in der Sonntagsbeilage der F.A.Z. angelehnt, die Antworten nicht.

Grund für dieses Doppelinterview war, zwei Repräsentanten der jüngeren Pelztiergeneration die niederschwellige Möglichkeit zu bieten, von ihrem persönlichen Lebensgefühl als Haustier in der Bundesrepublik Deutschland des Jahres 2023 zu berichten. Entstanden ist ein ebenso erschütterndes wie brisantes Stück Zeitgeschichte, das Einblick in Einstellungen und Gedanken von Lebewesen gibt, die zu ihren Wünschen und Bedürfnissen unbefragt mitten unter uns in dieser Gesellschaft leben und Ihre Existenz in diesem Land so ganz anders wahrnehmen als wir menschlichen Bewohner.


Was ist für Sie das größte Unglück?


Udo: Frühmorgens kein Futter im Napf vorzufinden und nicht in der Lage zu sein, die dafür zuständigen Hilfskräfte – also Mama und Carsten - selbst mit allerdrastischsten Methoden (auf den Bauch springen, schreien, dass ihnen nach allen Regeln der Wahrscheinlichkeit eigentlich das Trommelfell platzen müsste, Gardine abreißen etc.)

zum Füttern zu veranlassen. Eigentlich ein Fall für den 'Europäischen Gerichtshof für Pelztierrechte'!


Hennes: Sehr richtig. Morgens ist in meinem Fall eher der Mangel an Trockenfutter das Problem. Ich habe lange über den Reiz exzessiven Trockenfutterkonsums nachgedacht. Vielleicht liegt er gerade darin, dass es ungesund ist. Vergleichbar mit menschlichem Alkohol - und Zigarettenmissbrauch oder dem Konsum hirnschmalzabtötender Sendungen im Reality-TV.



Wo möchten Sie leben?


Udo: In Essen.

Hennes: Falsch: In Gelsenkirchen. In dieser Frage gibt es keine zwei Meinungen! Die Stadt meiner Ahnen – zugleich mein Geburtsort - ist in diesem Fall ganz besonders alternativlos. Man könnte glatt sagen: „Sie ist noch alternativloser als alternativlos, oder von ‚Alternativlosigkeitsfaktor Hundertzwölftausend Milliarden Komma fünf‘ sprechen, aber das ist mir zu anstrengend und versteht dann doch keiner.“


Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück?

Udo: Fressen und die Freiheit zu haben, ohne Sinn und Verstand in der Gegend rumzuhüpfen und mir keine Sorgen um Sanktionen machen zu müssen.

Hennes: Nur Fressen. Das reicht mir. Mit dem Alter wird man dann doch etwas ruhiger und abgeklärter. Hüpfen ist mir zu anstrengend. Außerdem vermisse ich den Sinn solcher Aktivitäten.



Welche Fehler entschuldigen Sie am ehesten?


Udo: Meine.


Hennes: Das sehe ich ganz genauso. Allerdings meine ich damit nicht Udos Fehler, sondern die von mir persönlich. Fehler von Tieren seiner Altersklasse verzeihen zu wollen, ist komplett unrealistisch und konterkariert (cooles Wort, habe ich gestern im „Literarischen Pelztierquartett“ gehört) den Erziehungsauftrag von uns älteren. Nichts gegen die Jugend von heute, aber die können Sie vergessen! Wir waren da noch aus ganz anderem Schrot und Korn!

Um mich selbst einmal als Beispiel zu nehmen: Ich bin extrem geerdet, außerordentlich seriös, voll in Ordnung und trotz meines Erfolgs immer der alte Hennes Boll aus Gelsenkirchen-Feldmark geblieben. Das sagen alle! Fast jedenfalls. Schon aus Prinzip mache ich keine Fehler. Die Frage ist also rein hypothetisch. Warum ich sie trotzdem beantworte? Ich erwähnte es bereits: Ich bin ziemlich in Ordnung. Was ich damit genau sagen wollte: An diesen Punkt der absoluten Vergeistigung werden die jungen Tiere von heute nie kommen! Dazu sind die einfach zu blöd !



Ihre liebsten Romanhelden?


Udo: Kater Carlo.


Hennes: Kater Carlo ist eine Comic- und keine Romanfigur. Ich hingegen bevorzuge den Kater Murr von E.T.A. Hoffmann. Ich habe das Buch über „Die Ansichten des Katers Murr“ zwar auch nicht gelesen, aber mir wurde gesagt, Murrs Namen zu erwähnen, käme bei solchen Fragen immer ganz gut...



Ihre Lieblingsgestalt in der Geschichte:


Udo: Jim Knopf und Lukas der Lokomotivführer.


Hennes: Das sind zwei. Außerdem zielt die Frage nicht auf Geschichten im Sinne von Erzählungen, sondern Geschichte ohne „n“, also Historie. Ich entscheide mich in diesem Fall für „Billy the Cat“. So hieß der Typ aus Amerika doch, oder?



Lieblingsheldinnen in der Wirklichkeit?


Udo: Mama.


Hennes: Das sehe ich genauso: Mama. Udos erste vernünftige Antwort heute.



Ihre Lieblingsheldinnen in der Dichtung?


Udo: Habe ich nicht. Ich kenne nur die vom Wasserhahn in unserer Küche. Der tropft aber. Das war eine Zeitlang spannend, wurde aber irgendwann langweilig. Um von mir als Lieblingsheldin genannt zu werden, müsste sie mehr liefern. Pech gehabt. Schluss, aus, Mickymaus!


Hennes: Sie meinen „Dichtung“ sicher m Sinne von Lyrik. Da entscheide ich mich für die Made aus dem gleichnamigen Gedicht von Heinz Erhardt. Die ist gut. Gerade ihre tragische private Situation, verleiht ihrer Figur Tiefe. Außerdem kenne ich kein anderes Gedicht.



Ihre Lieblingsmaler?


Udo: Hennes. Er arbeitet hauptsächlich mit Katzenstreu und Hühnerleberelementen. Sieht schaurig aus, aber schon originell. Außerdem hat er mich gebeten, ihn an irgendeiner Stelle positiv zu erwähnen. Dafür tritt er einen Monat lang 80 Prozent der Schleckerli an mich ab, die Mama und Carsten an uns verfüttern. Ein großartiges Angebot, wenn man nicht gerade als unbestechlicher Heilsbringer gelten will. Ich finde, ein gesundes Maß an Korruption und Mauschelei ist gar nicht so schlecht. In diesem konkreten Fall sogar enorm schmackhaft.


Hennes: Ich finde meine Bilder auch am besten. Vor allem „Hühnerleber vor Sonnenuntergang auf dem heimischen Balkon in Essen-Holsterhausen“. Das sage ich selbstverständlich in aller Bescheidenheit. Andere können auch was. Van Gogh und so. Auf die geniale Idee, Bilder mit Hühnerleber zu machen, sind sie alle nicht gekommen.



Ihr Lieblingskomponist?


Udo: Alle, die nachts den Mond anheulen und das populär-musikalisch umgesetzt haben.


Hennes: Prokofiew, Mozart, Lemmy von Motörhead und – das wird Udo gefallen – „Zentralniedersäschsische Kater heulen den Mond an“ von „Kojote Cat and The Howling Majority“. Ein musikalischer Leckerbissen, wenn man den Regler nach rechts dreht und schon schwerhörig ist.



Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einem Mann am meisten?


Udo: Die Bereitschaft und das Reaktionsvermögen, meinen Futternapf, ohne groß zu mosern und zu trödeln, in Sekundenbruchteilen aufzufüllen, sobald ich das Zeichen dazu gegeben habe.


Hennes: Eigentlich alle Servicetätigkeiten rund um das Haustier, um mich zum Beispiel. Prompte Wunscherfüllung schätze ich aber auch.


Welche Eigenschaften schätzen Sie bei einer Frau am meisten?


Udo: Die Bereitschaft und das Reaktionsvermögen, meinen Futternapf, ohne groß zu mosern und zu trödeln in Sekundenbruchteilen aufzufüllen, sobald ich das Zeichen dazu gegeben habe.


Hennes: Das Erfüllen eigentlich aller Servicetätigkeiten rund um das Haustier, um mich zum Beispiel und vor allem.



Ihre Lieblingstugend?


Udo: Keine Ahnung. Aber ihr gehört die Zukunft, glaube ich. Habe ich jedenfalls irgendwo mal gehört.

Hennes: Schönheit, Intelligenz und unbedingte Reflexionsbereitschaft.



Ihre Lieblingsbeschäftigung


Udo: Sagte ich doch schon: Fressen. Naja, und Vögel beobachten.


Hennes: Da stimme ich dem Kleinen ausnahmsweise mal zu. Fressen und vom Balkon aus Vögel beobachten. Ein Traum!



Wer oder was hätten Sie sein mögen?


Udo: Besitzer einer Lachs-in-Dill-Sauce-Farm. Da wäre ich dann selbst mein bester Kunde. Die wenigsten wissen ja, dass 80 Prozent aller südwestfälischen Lachse bereits in Dillsauce geboren werden. Sagt man jedenfalls ...


Hennes: Darüber streiten sich bekanntlich die Gelehrten. Schon vom Wahrheitsgehalt her. Mit ethischen Fragen möchte ich lieber gar nicht erst anfangen.

Ohne angeben zu wollen, bliebe ich am liebsten ich selbst. Schon wegen meiner außergewöhnlichen Intelligenz, Reflektiertheit und Bodenständigkeit.



Ihr Hauptcharakterzug?


Udo: Total in Ordnung zu sein.


Hennes: Meiner auch. Und extreme Integrität.



Was schätzen Sie bei Ihren Freunden am meisten?


Udo: Dass sie immer tun, was ich sage.


Hennes: Nichts gegen Wunschdenken, aber im Gegensatz zu Udos Freunden spuren meine tatsächlich. Das wiederum weiß ich sehr zu schätzen.



Ihr größter Fehler?


Udo: Ich bin nicht immer als Erster am Fressnapf. Vor allen an den Laufwegen muss ich noch feilen. Ich glaube, Hennes nennt sowas „Selbstoptimierung“, oder so ähnlich.


Hennes: Meine Bescheidenheit. Oft bin ich viel zu rücksichtsvoll und kompromissbereit. Manchmal sogar nett.



Ihr Traum vom Glück?


Udo: Auf einer einsamen Insel, aber nicht zu weit abseits der Zivilisation. Zum Beispiel im Steinhuder Meer oder am Ufer des Hasper Bachs. Nur ich und tausend Lachse und Schollen in Dillsauce. Dazu ein mobiles Katzenklo mit Selbstverscharrungsmechanismus und das größte Schleckerlireservoir, das dieser Planet je gesehen hat.


Hennes: Vollverpflegung und Rundum-Betreuung. Service-Leistungen per Krallenschnippser anweisen zu können. In dieser Hinsicht sehe ich in unserer WG noch jede Menge Luft nach oben. Freundlich ausgedrückt.



Was wäre für Sie das größte Unglück?


Udo: Morgens kein Frühstück.


Hennes: Stell dir vor, es gibt Scholle und wenn du am Napf ankommst, hat sie Udo schon gefressen!



Was möchten Sie sein?


Udo: Geschäftsführender Balkonverwalter.


Hennes: König von Essen, Gelsenkirchen und dem weltweiten Rest drumherum.



Ihre Lieblingsfarbe?


Udo: Schwarz-weiß.


Hennes: Rot-getigert.



Ihre Lieblingsblume


Udo: Ist Baldrian auch eine Blume?


Hennes: Das Alpenveilchen. Es soll großartig schmecken, habe ich mir sagen lassen.



Ihr Lieblingsvogel?


Udo: Der Mäusebussard. Viel Fleisch und das gleiche Jagd-Beuteschema.


Hennes: Die Amsel. Soll nussig im Abgang sein. Klingt köstlich, oder?



Ihr Lieblingsschriftsteller?


Udo: „Carsten Wunn“ soll ich sagen.


Hennes: Ja. Ich auch. Strikte Anweisung von Carsten selbst. Sonst gibt’s Ärger bzw. droht Futter-Entzug oder Balkon-Verbot. Obwohl der Name „John Katzenbach“ schon sehr interessant klingt, wie ich finde …



Ihr Lieblingslyriker?


Udo: Carsten hat gesagt, wir müssten die Katze Kniesel mit ihrem männerfeindlichen Gedicht nennen. Genau. Aus seinem Roman „Kniesel und ich“. Männer, Männer, Männer, sind die letzten Penner, und so …“


Hennes: Er sprach von weiteren Repressalien, die wir sonst zu fürchten hätten. Dann mache ich das halt. Wir müssen schließlich noch eine ganze Zeit mit ihm auskommen.



Ihre Helden in der Wirklichkeit?


Udo: Immer der, der gerade füttert.


Hennes: Sehr richtig. Gar nicht so blöd, der Kleine! Und natürlich der, der die Balkontür, ohne zu murren, jedes Mal öffnet, wenn ich raus oder rein will. Da wird der Kreis dann schon kleiner.



Ihre Heldinnen in der Wirklichkeit?

Udo: Das verhält sich genau wie bei Männern: Die Frau, die meinen Anweisungen folgt und sie erfolgreich umsetzt. Zeitnah versteht sich.


Hennes: Auch da stimme ich ihm zu. Der Service macht die Musik.



Ihre Lieblingsnamen?


Udo: Udo.


Hennes: Hennes (außer bei Geißböcken), Wahnfried, Katzuranis.



Was verabscheuen Sie am meisten?


Udo: Nasses Trockenfutter, zu brackiges Wasser, Beutetiere mit zähem Fleisch und natürlich freche Vögel in der Nähe, die einen im Schutz des Balkonnetzes provozieren, weil sie wissen, dass man sie nicht fangen kann. Einer hat mir sogar mal einen langen Schnabel gezeigt. Arschloch!


Hennes: Schlechter Service, verschlissene Kratzbaumkuhlen, und wenn Udo vor mir auf dem Katzenklo war und seine Hinterlassenschaften nicht ordnungsgemäß verscharrt hat. Passiert täglich.



Welche geschichtlichen Gestalten verabscheuen Sie am meisten?


Udo: Die Puffotter Penny aus „Unter Olmen“ von Carsten Wunn, soll ich sagen.


Hennes: Ich auch. Und ich glaube, Flavio Fiesemöppka, Pennys Winkeladvokaten, sollten wir noch erwähnen. Oder meinten Sie schon wieder „Historische Gestalten?“



Welche Reform bewundern Sie am meisten?


Udo: Im Reformhaus in der Innenstadt haben sie fast alle Regale erfolgreich umgeräumt. Für deren Verhältnis gar nicht so schlecht. „Man muss die Leute immer da abholen, wo sie stehen“, sagt Carsten.


Hennes: Sicher richtig, der Spruch selbst ist allerdings längst zur Floskel verkommen! Ein Besserer fällt mir gerade leider auch nicht ein. Außerdem muss ich aufs Klo. Langsam wird es dringend. Lasst uns weitermachen!



Welche natürliche Gabe möchten Sie besitzen?


Udo: Lachs mit Dillsauce auf 100 Kilometern Entfernung riechen zu können.


Hennes:

Gleichzeitig in Essen, Gelsenkirchen und auf dem Mars zu sein.



Ihre gegenwärtige Geistesverfassung?


Udo: Überragend. Fast zu gut.


Hennes: Na, ich weiß nicht. ‚Komplett umnachtet‘ würde die Sachlage mit Sicherheit besser beschreiben. Jedenfalls, wenn wir von Udo sprechen. Mein Verstand hingegen ist so klar wie ein Bergsee in den Alpen weitab jeder Zivilisation und potenziellen Verschmutzungsquelle.



Ihr Motto?


Udo: Lieber Fellwechsel als Stoffwechsel (den Spruch habe ich selbst erfunden. Cool, oder? Er reimt sich sogar)!


Hennes: Wenn du weißt, dass du nichts weißt, ist das viel besser, als wenn du nicht weißt, dass du nichts weißt. Denn, wenn du das wissen tust, dann weißt du, dass dein Wissen nicht ausreicht, etwas zu beurteilen. Wenn du das aber nicht wissen tust, dann denkst du, du weißt das und machst schon deshalb alles falsch, weil du denkst, du weißt, worum es geht, was aber nicht stimmen kann, denn du weißt ja gar nichts, also kannst du auch das nicht wissen.

Ein sehr komplizierter Satz, an dem ich tausende von Arbeitsstunden gesessen, gefeilt und damit meine kostbare Lebenszeit verplempert habe. Wahr ist seine Aussage trotzdem.



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,Normalerweise redet zumindest der gemeine Stadtbaum hauptsächlich wirres oder belangloses Zeug. Albernen Klatsch, Lästereien über andere...

Und noch eine ...

2 commenti

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Birgit Wunsch
Birgit Wunsch
17 mag 2023

🤪😂😂

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Manuela Boll
Manuela Boll
17 mag 2023
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Astrein 😂😂😂🤣🤣😻😻👍👍👍👍👍

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